Sängerinnen und Sänger und Dirigent

Messe mal 3

Für das Programmheft bitte hier klicken.

Vokalwerk Christianskirche
Katharina von Hassel und Mieke Kaiser, Sopran
Constanze Heller und Charo Mendivil, Alt
Fridolin Wissemann, Tenor
Luise Schiefner, Orgel
Instrumental-Solisten
Elbipolis Barockorchester
Leitung: Igor Zeller

Messe mal drei. Gloria a Dios

Ein Text, drei völlig verschiedene Vertonungen.

Das sogenannte „Mess-Ordinarium“ aus Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei ist ein Fünfklang gottesdienstlicher Elemente, in dem wesentliche Teile des christlichen Ritus enthalten sind. Es gießt ein umstürzendes Geschehen in dauerhafte Zeichen: das unmittelbare Erlebnis von Verfolgung, Leid, Tod und Auferstehung.

Der daraus entstandene Text-Zyklus hat dann wahrlich weit getragen: durch Völkerwanderung, Renaissance, Reformation, Humanismus, Aufklärung und technologischen Fortschritt. Immer wieder befragt, bezweifelt – nicht erst in unseren Tagen. Aber doch anscheinend mit einer Urkraft ausgestattet, die viele Menschen auch immer wieder hinsehen und nachlesen ließ. Viele Komponisten waren nicht gerade fromm, man denke an Mozart, Beethoven, Schubert. Messen haben sie dennoch geschrieben.

So bleibend dieser Text für sich auch ist, so sehr hat er sich im Lauf der Musikgeschichte doch seine verschiedenen, sehr eigenen kulturellen Gestalten gesucht. Die h-Moll-Messe Johann Sebastian Bachs markiert dabei einen wichtigen End- und Wendepunkt. Vor Bach sollte gottesdienstliche Musik den Blick auf den Himmel richten. Keine zu menschliche Zutat sollte von diesem Blick auf das Göttliche ablenken. Sowohl die einstimmige Gregorianik als auch die kunstvoll-vielstimmige Kontrapunktik der alten Meister (allen voran Palestrina) wollte göttliche, sphärische Ordnung abbilden und den Text wie in einem kostbaren Gefäß weitertragen. Bachs h-Moll-Messe führt diese Haltung auf den Gipfel des Machbaren. Und gleichzeitig sprengt sie in ihrer Dauer schon jedes gottesdienstliche Format und macht den Text zu etwas Universellem. Danach war ein radikaler Neubeginn angesagt, die anthropologische Wende: Musik und Theologie richteten den Blick nun auf den Menschen und wurden von ihm aus gedacht.

Und so kam es in der Wiener Klassik zu einer kompletten Neuentwicklung der Musik. Und ein neuentdecktes schöpferisches Ich musste seine Formen nun selber setzen. Aus dem Geist dieser Epoche der Aufklärung, des Umbruchs und Neubeginns in der frühen Klassik sind die Messen Joseph Haydns entstanden. Der Grundduktus ist gegenüber der manchmal schweren spätbarocken Musik von großer Leichtigkeit geprägt. Ganz zu Beginn sprach man sogar von einem „galanten“ Stil. Und genau dieser lichtdurchflutete, leichte Grundton prägt auch die „Kleine Orgelsolomesse“ von Joseph Haydn. Der Gipfelpunkt dieser Epoche war dann Beethoven, der einen völlig neuen Typus von Musiker repräsentiert: Das autonome Genie, das von seiner Musik ohne Bindung an Kirche oder Fürstenhöfe leben kann.

Gegenüber diesem humanistischen Selbstvertrauen der Klassik suchte die Romantik danach wieder das Archaische auf. Ganz besonders wendete sie sich dem Gefühl zu, das als tiefes Gewässer entdeckt wurde. Aber diese Tiefe wurde auch anderswo gesucht und gefunden: in alten Märchen, die von den Gebrüdern Grimm nun erstmals aufgezeichnet wurden, in alten Gebäuden, die nun vollendet wurden wie der Kölner Dom – und immer wieder in der Natur, wie sie zum Beispiel von Caspar David Friedrich abgebildet und von vielen Liederdichtern besungen wurde. Floor Peters ist zwar ein Komponist, der im 20. Jahrhundert gelebt hat, seine Musik atmet aber den Geist dieses gefühlsgeladenen Rückgriffs auf das Alte, Archaische.

Nachdem die Romantik dann ihrerseits immer komplexer wurde und z.B. in den Werken Gustav Mahlers und Richard Wagners die Grenzen des Harmonischen testete, war dann wieder ein Neubeginn fällig. Auf der einen Seite wagte Arnold Schönberg den endgültigen Bruch mit der Harmonik. Auf der anderen Seite gab es eine neue Lust an der Einfachheit und an der Aufnahme der Lebenswelt in die Kunst, besonders in Form des durchgehenden Rhythmus, des Beat und Swing. Dieser pulsierende „Groove“ stand für stampfende Maschinen genauso wie für tanzende Körper. Die Pop-Musik war geboren. Und mit ihr wurde die Musik zum ersten Mal dem elitären Elfenbeinturm entrissen und zu einer Sache breiter Bevölkerungskreise. In dieser Tradition steht Ariel Ramirez, wenn er für die fünf Sätze der Messe fünf Tanzformen des ländlichen Argentinien zugrunde legt.

Willkommen zu einer Reise in Zeit und Raum. Hinein in drei völlig verschiedene Welten, die doch von derselben tiefen Quelle inspiriert sind, dem einen großen Text. Mit dreimal völlig unterschiedlichen Instrumenten, die uns begleiten. Und dem einen Chor.

Messe mal drei. Gloria a Dios.

Igor Zeller